Farmer Proteste in indien


Stell dir vor es finden gerade die größten Proteste der Menschheitsgeschichte statt...

... und die westliche Welt kriegt nichts davon mit. Glaubst du nicht? Ist aber so. Wir erzählen Euch warum.

Indien hat fast 1,4 Milliarden Einwohner. Die Hälfte davon arbeitet in der Landwirtschaft, aber die Einnahmen machen nur etwa 1/6 des nationalen Bruttoinlandsproduktes aus. Gründe dafür sind vielschichtig. Sie reichen von nicht bezahlbaren Darlehen und Korruption bis hin zu klima- und umwelttechnischen Ursachen, wie Trockenheit und Ungezieferbefall. Die Selbstmordrate unter indischen Farmern ist sehr hoch. Allein im Jahr 2019 haben sich 10.000 von ihnen umgebracht, weil sie Ihre Situation als ausweglos empfanden. Das entspricht mehr als 27 Selbstmorden pro Tag. Sowohl die Landwirte (Kisan) als auch die Regierung waren sich einig, dass sich da was ändern muss. Dafür hat sich die rechts-orientierte, nationalhinduistisch regierende Partei Bharatiya Janata Party (BJP) 3 Gesetze ausgedacht und sie, ohne groß zu diskutieren, in Kraft gesetzt. Diese Gesetze ändern im Grunde die Landwirtschaft Indiens von einem von der Regierung unterstützen System zu einem Teil des offenen Marktes. Bisher haben Farmer ihre Ernte an staatlich organisierte Mittelsmänner (Mandis) für einen Mindestpreis verkaufen können, welche die Ware dann weiter an Abnehmer verkauft haben. Die BJP möchte jetzt aber diese Mandis abschaffen, sodass die Ware vom Landwirten direkt an die Abnehmer verkauft werden soll. Die BJP argumentiert damit, dass die Landwirte nun “in einer besseren Position wären um über den Preis zu verhandeln”. Die Farmer aber haben Angst, dass ohne die Mandis die Unternehmen die Preisgrenzen setzen können wo sie wollen. Ohne Mindestpreisgarantie haben sie alle Möglichkeiten die Farmer unter Druck zu setzen und finanziell ausbluten zu lassen. Diese haben dann keinerlei Möglichkeiten bessere Preise auszuhandeln. Ihre Ware verliert an Wert und sie verbleiben mit noch weniger Geld als das aktuelle System hergibt.

be a Rebel Farmer Proteste Info Mandi Gesetze

Situation VOR der Inkraftsetzung der Anti-Farmer-Gesetze

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Befürchtete Situation NACH der Inkraftsetzung der Anti-Farmer-Gesetze.

Insbesondere Landwirte aus der Region Punjab, dem Brotkorb Indiens, haben ein Vertrauensproblem mit der Regierung (Teilung Indiens durch Punjab 1947, Sikh Verfolgung 1984). Da hilft es nicht, dass die Regierung die 3 “kaale kanoon” (schwarzen Gesetze) überhastet erlassen hat. Sie wurden zuerst am 15.9.2020 von der Ersten Kammer (Lok Sabha) verabschiedet und keine Woche später von der Zweiten Kammer (Rajya Sabha) nach einer Stimmwahl zugelassen. Was ist eine Stimmwahl fragt ihr? Da ruft man laut “Aye” wenn man dafür ist und “No” wenn man dagegen stimmen möchte. Der unparteiische stellvertretende Vorsitzende wertet die Rufe dann aus. Klingt bescheuert? Schaut euch gerne an, wie das letztendlich aussah: 

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Am 28.09.2020 hat Kam Nath Kovind, der Präsident Indiens, dennoch die Entwürfe unterschrieben und die Gesetze somit in Kraft gesetzt. Seit der ersten Erwähnung der Gesetze im August 2020 sind die Leute in Punjab auf die Straßen gegangen. Erst liefen die Proteste auf lokaler Ebene ab, aber das änderte sich bald. Seit dem 25.11.2020 bewegen sich die Farmer Richtung Hauptstadt Neu Delhi um friedlich zu demonstrieren. Die Polizei begrüßte die Protestanten mit Tränengas, Wasserkannonen, Schlagstöcken, umgegrabenen Straßen und Reihen von Barrikaden. Allein am ersten Tag sind 3 Menschen gestorben. Am Tag darauf solidarisierten sich 250 Mio. Menschen in ganz Indien zu einem bundesweiten Generalstreik, dem größten Protest in der Menschheitsgeschichte. Zigtausende protestieren vor Ort, wo sie in und um ihre Traktoren campen und die Hauptstraßen nach New Delhi blockieren. Bis Mitte März 2021, nach über 100 Protesttagen, sind 300 Protestierende gestorben. 
Die vermeintlich größte Demokratie der Welt erlaubt ihren Bewohnern nicht zu widersprechen. In den Protestorten wird das Internet geblockt, um die Kommunikation zu verhindern. Sie setzt Polizeigewalt ein um weitestgehend friedliche Protestanten anzugreifen und die darüber berichtenden Journalisten werden der Staatsgefährdung bezichtigt und inhaftiert. Die einzig von der Regierung geduldete Presse sind die sogenannten Godi-Medien, Nachrichtendienste die sich zur hindunationalistischen Bewegung bekennen und von denen viele in der Vergangenheit angeklagt wurden, u.a. wegen Manipulation der Zuschauer, fake Live Debatten und fake Zitaten. Sie stellen die Realität nicht nur verquer dar, sondern unterstellen den Protestierenden auch terroristische und kommunistische Gesinnungen.


Während etwa 1/5 der Weltbevölkerung gerade den Sinn der Demokratie neu definiert, hört man in den westlichen Medien fast gar nichts darüber. Die Tagesschau berichtete das erste Mal am 26.01.2021 mit einem halbminütigen Einblender von der Situation in Neu Delhi und das auch nur weil es zu Aufständen kam. Aber wieso ist das so? Wir hier im Westen können es uns einfach nicht leisten, Indien als Verbündeten zu verlieren, u.a. weil das Land günstige Arbeitgeberbedingungen bietet. Als vermeintlich stabile Demokratie dient es vielen westlichen Ländern als ein moralisch akzeptiertes Standbein in Asien. Da kann dann auch großzügig darüber hinweg gesehen werden, dass Premierminister Modi der westlichen Welt vor seinem Amtsantritt vor allem durch seinen Genozid an Moslems bekannt war. Erst als internationale Persönlichkeiten, wie Rihanna und Greta Thunberg, sich öffentlich über soziale Medien mit den Farmern solidarisiert haben, ist es zu einem globalen Gesprächsthema geworden.

Wie ist die aktuelle Lage?

Es gab insgesamt 11 Gespräche zwischen den Wortführern der Farmer Unionen und der Regierung. Keines der Gespräche führte zu einem Ergebnis. Die am 21.01.2021 vorgeschlagene Suspension der Gesetze für 18 Monate haben die Protestanten abgelehnt. Sie fordern eine garantierte Entkräftung aller 3 Gesetze [Stand: März 2021].

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