Unsere Versorger*innen in Deutschland

Glückliche Kühe springen durch’s Grün und genießen die frische Luft und das saftige Gras. Schweine suhlen sich im Schlamm und grunzen vor Freude und Hühner gackern durch den Hofplatz und picken nach Körnern im Boden. So, und jetzt mal zur Realität.


Zu Beginn ein paar Fakten: Etwa die Hälfte der deutschen Bundesfläche wird als Agrarfläche genutzt. Die knapp 17 Mio. Hektar werden mit über 70 % für den Ackerbau bewirtschaftet und ersetzen langsam aber sicher viele ehemalige Weiden- und Wiesenflächen. Das gleiche geschieht leider auch mit den Kleinbäuerinnen und -bauern. In der EU hat es sich in den letzten Jahren überhaupt nicht rentiert landwirtschaftliche/r Kleinunternehmer/in zu sein und so wurden die meisten kleineren Höfe von größeren Betrieben, nun ja, sagen wir abgelöst. Im Vergleich zu 1950 kann heute eine einzelne Landwirtin oder ein einzelner Landwirt auch deutlich mehr Menschen versorgen. Die letzten Jahrzehnte wurden auf Effizienz ausgerichtet und damit meine ich nicht nur verbesserte Technologien. Insgesamt ist z.B. die Anzahl der Milchkühe um 26 % zurückgegangen aber die Produktivität jeder einzelnen Milchkuh um 230,5 % angestiegen. Auch die Zahl der Legehennen ist um 9,4 % gesunken, aber gleichzeitig legt ein einzelnes Huhn nun 181,3 % mehr Eier.


Dass diese raketenhoch gestiegene Produktivität nicht ohne raketenhohe Kosten möglich ist versteht sich von selbst. Unsere Böden sind durch pausenlose Bewirtschaftung nährstoffarm, unser Grundwasser ist durch Überdüngen mit Nitrat verseucht, die Nutztiere werden irgendwie gerade so noch mit Medikamenten am Leben gehalten, Monokulturen und aggressive Herbizide killen die deutsche Artenvielfalt etc.


Der/die deutsche Durchschnittseinkäufer/in kauft sein/ihr Essen am liebsten günstig ein, weswegen vor allem die 4 Supermarktgrößen Edeka, REWE, Aldi und Lidl (zu denen übrigens auch alle anderen bekannten Supermarktketten gehören) die Landwirtinnen und Landwirte fest im Griff haben. Sie fordern die Ware zu einem lachhaft günstigen Preis um die Verbraucher/innen mit Billigfleisch für € 1,99 bei Laune zu halten. Die Bäuerinnen und Bauern fühlen sich gezwungen ihre Ware sogar teilweise unter dem Preis der Produktionskosten zu verkaufen um nicht auf ihr sitzenzubleiben. Im Extremfall zahlen sie also sogar drauf.  


Da unter diesen Bedingungen ja keine normalsterbliche Bäuerin und kein normalsterblicher Bauer überleben würde hat sich die Politik die Subvention ausgedacht. Ursprünglich diente sie dem Nachkriegseuropa in den 1950er Jahren um den Nahrungsmittelbedarf zu garantieren. Heute sichert sie der Landwirtin und dem Landwirten die Existenz. Achtung, noch ein paar Fakten: Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger zahlt im Schnitt etwa € 114 Steuern pro Jahr für die Agrarsubvention. Das sind € 400 Milliarden (!) die es zu verteilen gilt, insgesamt 40 % des gesamten EU-Haushaltes. € 6 Mrd. gehen jedes Jahr nach Deutschland. Die Steuerzahler/innen haben aber keinen Einblick darüber in welche Flächen oder in welchen Betrieb ihre Steuergelder fließen. Bekannt ist, dass über 2/3 als Pauschalen ausgezahlt werden, d.h. ein/e Landwirt/in bekommt pro Hektar einen Festbetrag, völlig egal was er oder sie damit macht. Mal wieder das altbekannte Prinzip: Wer viel hat kriegt noch mehr. 1/3 wird dann an so Krams wie Klima-, Umweltschutz und Tierwohl verteilt. Ach ja, und an naturbedingt benachteiligte Gebiete (z.B. steinige Flächen). Fast vergessen: Auch wenn die Felder klein und schwer zu erreichen sind, fällt das in die selbe Prämiensparte.

Warum den Bäuerinnen und Bauern nicht einfach faire Preise für ihre Produkte bieten, könnte man sich fragen. Wir würden Steuergelder sparen und unsere Landwirtinnen und Landwirten hätten keine Existenzängste mehr. Wie immer haben da die Lobbyisten aber was gegen. So einfach die Begründung ist, so kompliziert ist das vernetzte System der Lobbys und der Politik. 

Eine umfangreiche Studie aus der Bremer Universität (Nischwitz, 2019) hat herausgefunden, dass zwischen 2013-2018 über 90 Akteuere sowie 75 Institutionen miteinander vernetzt waren. Es ist ein unglaubliches Gewirr, aber eines scheint sicher: es liegt im Interesse einzelner Personen, Reformvorschläge systematisch abzulehnen. Und das seit den 1970ern. Ein Zitat des Soziologen Prof. Dr. Heinze aus 1992:

Nischwitz spricht von einer „Professionalisierung des Lobbyismus” in Bezug auf die Agrarpolitik. Aber welche Lobbyisten stecken dahinter? Zerstören wir doch nochmal kurz die CDU: 85 % der Ausschussmitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag haben einen direkten Bezug zur Land- und Agrarwirtschaft und über die Hälfte davon besetzen ein Amt im Bauernverband. Die wenigen Schlüsselpositionen, die es gibt, werden an Leute vergeben, die ganz offensichtlich ein Interessenkonflikt haben. Stellen wir mal ein paar vor:

Dass diese konventionellen (also Nicht-Bio) Großlandwirte enorm von der subventionierten Hektarprämie profitieren, dürftet ihr richtig geschlussfolgert haben.


Die Stimme des Volkes wird aber Immer lauter. Die deutschen Bürgerinnen und Bürger interessieren sich u.a. dank Fridays for Future wieder verstärkt für unsere Umwelt (Danke liebe Schülerinnen und Schüler!) und so wurde 2019 das Agrar-Paket verordnet. Die Landwirtinnen und Landwirte sollen nachhaltiger arbeiten und ganz freiwillig auf’s Tierwohl achten um ein staatliches Label zu bekommen. Alles mit mehr Kosten und Aufwand verbunden aber ohne finanzielle Hilfe von der Politik. Die Bäuerinnen und Bauern, die vorher schon struggleten sollen jetzt also noch mehr machen und im Rückschluss weniger bekommen? Na-ah!, dachten sich unsere Versorger/innen und sind auf die Straßen gegangen.


Vielleicht liegt es an den häufigen Demonstrationen, daran dass sie mit ihren langsamen Traktoren unsere Straßen blockieren oder dass es nur noch so wenige von ihnen gibt und wir persönlich gar keine kennen, aber Bauern scheinen keinen guten Ruf zu genießen. Es sind die “dummen Bauern”, die “essen wie Bauern”, von denen jeder eine Frau sucht und denen unsere Bedürfnisse und die Umwelt egal sind. Eine Landwirtin und ein Landwirt unterliegt so viel Druck von den Bauernverbänden, die mit im Lobbynetz hängen, der Politik, die mehr und immer mehr fordert aber nicht aushilft, und uns Verbraucherinnen und Verbrauchern, die wir Bio und Öko aber auf jeden Fall auch günstig essen wollen. Letztendlich geht nur 5% des deutschen Einkaufs in Bioprodukte.

Die meisten Landwirtinnen und Landwirte, auf die ich während meiner Recherche gestoßen bin, sind selbstverständlich naturverbundene Menschen, die gerne auch umweltfreundlicher arbeiten würden. Es sind hochqualifizierte Unternehmer/innen von denen vor allem viele der jüngeren Generation landwirtschaftlich bezogene Fächer studiert haben. Nichtsdestotrotz betreiben sie LandWIRTSCHAFT, d.h. es muss sich wirtschaftlich auch für sie lohnen. 


Dass es das gerade nicht tut hängt auf jeden Fall mit Lobbyismus und Politik zusammen aber auch mit uns Verbraucherinnen und Verbrauchern. Erst wenn wir anfangen unsere Landwirtinnen und Landwirte und ihre Arbeit wertzuschätzen, können wir Druck auf die da oben ausüben.





(01.05.2021)
Quellenangabe